Das Leben in der Umgebung Augsburgs. (Kriegshaber, Steppach, Pfersee und Oberhausen). Nach der Vertreibung aus den Städten suchten viele Juden aus ganz Deutschland eine neue Heimat im Osten – in Polen, Litauen und in anderen Gebieten. Die Sprache der osteuropäischen Diaspora wurde Jiddisch, das aus mittelrheinischen Dialekten entstand. Einige Juden sind als Gelehrte und erfolgreiche Händler nach Italien gezogen.
Im Gebiet der Grafschaft Burgau waren die Juden aus finanziellen Gründen gerne geduldet. In den kommenden Jahrzehnten bildeten sich in der unmittelbaren Umgebung der Stadt eigenständige Gemeinden. Zuerst im Dorf Steppach.
Die größte Gemeinde befand sich in Kriegshaber. In einer Beschreibung von 1829 (einige Jahrhunderte nach der Übersiedlung der Juden aus Augsburg) las man über Kriegshaber: „96 Häuser, 246 Familien, 1025 Seelen, einschließlich 322 Juden“ (fast ein Drittel!).
In den neuen Orten musste man eine Erlaubnis bekommen, um sich mit Handel und Ausbildung zu beschäftigen, Geld verleihen zu dürfen. Jüdische Händler im 15. bis 19. Jahrhundert verließen ihr Haus am Anfang der Woche, um kurz vor dem Samstag zurückzukehren. Sie versorgten die Bevölkerung der Dörfer mit Galanteriewaren, Geschirr, Papier und anderen Waren. Später auch mit Textilwaren, Eisenwaren und Uhren. In den Städten verkauften sie Vieh und Lein für die Textilproduktion. Geldgeschäfte begannen mit kleinen Krediten: einige Gulden für kurze Zeit zu niedrigen Zinsen. Das Vermögen einiger Familien wurde durch jahrelangen Handel und durch Geldgeschäfte angesammelt.
Die Gemeinden um Augsburg wuchsen allmählich. 1636 wurde in Pfersee der bis jetzt existierende jüdische Friedhof angelegt. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde der Friedhof geschändet. 1946 wurde auf Initiative der amerikanischen Besatzungsmächte aus den zerstörten Grabsteinen neben dem Eingang eine Gedenkstätte in Form eines Würfels errichtet.
1570 hat die Gemeinde in Kriegshaber ihre eigene Synagoge gebaut. Als das Gebäude verfiel, wurde im 17. Jahrhundert an dieser Stelle das neue Gebäude, das bis zum heutigen Tag in der Ulmerstrasse 228 erhalten blieb, gebaut. An der Ostwand des Hauses ist der Vorsprung für Aron ha-Kodesch sichtbar, und über dem Haupteingang ist ein Fenster mit einem Davidstern vorhanden. Nach der Vereinigung der Gemeinden von Augsburg und Kriegshaber im Jahre 1915 wurde das Gebäude der Synagoge verkauft. 1945 haben darin einige Zeit Juden der amerikanischen Streitkräfte und die aus den Konzentrationslagern zurückgekehrten Gefangenen gebetet. Die Stadt Augsburg, in deren Besitz sich das Gebäude jetzt befindet, hat es in den Jahren 2011 bis 2014 aufwendig saniert und es dient als Dependance des jüdischen Kulturmuseums für Ausstellungen oder Schulungen.
In der Mitte des zweiten Jahrtausends veränderten die neuen technischen Erfindungen das Leben. Zum Beispiel der Mitte des 15. Jahrhunderts erfundene Buchdruck. Im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts hat August Wind in seiner Druckerei eine besondere Abteilung für den Druck von Büchern in altjüdischer Sprache eingerichtet. Ungeachtet des geltenden Wohnverbotes für Juden in der Stadt hat er aus Prag den bekannten jüdischen Drucker Haim Schwarz geholt. Von 1533 – 1543 hat Schwarz mit seinem Sohn Isaak und seinem Schwager Josef ben Jakar in Augsburg einige Bücher veröffentlicht: den „Raschi – Kommentar zum Pentateuch und zu den Schriften“ 1534; eine illustrierte Haggada fűr Pessach 1534; eine Sammlung festlicher Gebete 1536, und weitere Werke. Die Bücher zeichnen sich durch hervorragende Arbeit und eine große Genauigkeit des Textes aus. 1543 ist die jüdische Druckerei nach Ichenhausen umgezogen.
Von 1618 bis 1648 wütete in Deutschland der „dreißigjährige“ Krieg. Am Ende des Krieges herrschten in Augsburg Angst. Armut, Hunger und Epidemie waren verbreitet. Die Zahl der Stadtbewohner schrumpfte um 50.000 auf 18.000. Menschen.
Nach dem „Westfälischen Frieden“ war der 30-jährige Krieg beendet und das Deutsche Reich in 1800 selbständige Staaten gespalten. Die Fürsten haben die Rechte souveräner Herrscher bekommen. In Augsburg galten besondere Gesetze. Konkurrenz war in Geschäftskreisen nicht erwünscht, deshalb sollten die Juden „die alten Bräuche fortsetzen und nach dem allgemeinen Recht sich nicht in städtischen Häusern aufhalten“. Fremde Juden durften nur tagsüber in der Stadt Handel treiben. Doch es war die (kostenpflichtige) Möglichkeit vorgesehen, bis zur Wiederherstellung der zerstörten Häuser in der Stadt während des Krieges Schutz zu erhalten.
Die Rückkehr. Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde Europa von den Armeen Napoleons erobert. Augsburg, wie auch andere Städte, zahlte große Kontributionen. Die Regierung der Stadt war gezwungen, Eigentum (Häuser, Grundbesitz) zu verkaufen und insbesondere das Wohnrecht. Im Herbst 1803 veröffentlichte der Stadtrat eine Konvention mit 38(!) Paragrafen, welche die Wohnbedingungen der ersten drei jüdischen Bankiers in der Stadt regelte. Hier sind die wichtigsten Schritte auf dem Weg zur Erlangung vollständiger Bürgerrechte aufgeführt:
Damit endete die Ära von fast 400 Jahren, in der die Juden kein Wohnrecht in Augsburg hatten.
Bild: Die Stadt Augsburg in der Schedelschen Weltchronik um 1490 (aus: wikipedia.org, gemeinfrei)
http://www.jüdische-gemeinden.de/index.php/gemeinden/a-b/283-augsburg-bayern